Interview mit Michael Kalis, KBR-Vorsitzender bei Kühne + Nagel
Frage: Was waren die ersten Schritte zur Gründung eines EBR?
Kalis: Wir haben 1995 an mehreren Workshops teilgenommen, die der DGB zum Thema Betriebsverfassung und Arbeitsbeziehungen
in Europa organisierte. Damals sind wir zum ersten Mal mit Gewerkschaften in anderen Ländern in Kontakt gekommen und
wollten eine freiwillige Vereinbarung abschließen, so wie es damals viele Firmen gemacht haben. Der Arbeitgeber lehnte
aber ab, deshalb haben wir 1997 den offiziellen Antrag auf Bildung eines Besonderen Verhandlungsgremiums gestellt.
Frage: Es gab eine Reihe von Gerichtsurteilen, was war passiert?
Kalis: Zunächst einmal hatten wir uns 1996/97 mit Arbeitnehmervertretern von Kühne + Nagel in Mailand, Amsterdam und
Luxemburg getroffen. Der Arbeitgeber wollte die Reisekosten nicht zahlen. Dann haben wir ein Rundschreiben in neun
Sprachen an alle uns bekannten Betriebsräte im Ausland geschickt, die Übersetzungskosten wollte der Arbeitgeber ebenfalls
nicht zahlen. In beiden Fällen konnten wir auf dem Gerichtsweg unsere Kosten einklagen.
Der Arbeitgeber weigerte sich auch, die Gründung des Europäischen Betriebsrates einzuleiten, denn es gab angeblich
niemanden, der dafür zuständig sei: weder die zentrale Leitung in der Schweiz noch irgendeine Niederlassung innerhalb der
EU. Deshalb haben wir in Deutschland über mehrere Instanzen geklagt, bis das Bundesarbeitsgericht am Ende den Europäischen
Gerichtshof in Luxemburg einschaltete. Dort wurde 2004 entschieden, daß die Niederlassung in Hamburg als größte
Landesgesellschaft innerhalb der EU zuständig ist.
Frage: Wie ging es danach weiter?
Kalis: Auf Anweisung aus der Konzernzentrale durch den Hauptaktionär, Herr Kühne, weigerten sich die ausländischen
Schwestergesellschaften, mit Kühne + Nagel Deutschland zusammenzuarbeiten. Deshalb mußten sie auf Herausgabe von
Informationen verklagt werden. Wir haben eine schriftliche Vereinbarung mit dem Arbeitgeber, wonach dies in drei Ländern
erfolgen soll. Während die Klage in Österreich 2007 erfolgreich war, soll das Verfahren in Schweden in Kürze stattfinden,
von der Slowakei wissen wir noch nichts. Erst wenn alle drei Verfahren abgeschlossen sind, können wir zur konstituierenden
Sitzung einladen. Der EBR wird nach den Mindestvorschriften des deutschen EBR-Gesetzes arbeiten.
Frage: Was können andere Betriebsräte aus Eurem Fall lernen?
Kalis: Man sollte besser juristisch gründlich arbeiten, als einen Schnellschuß zu wagen. Außerdem ist es wichtig, die
grenzüberschreitenden Kontakte zwischen Betriebsräten und Gewerkschaften rechtzeitig aufzubauen und zu pflegen. Dazu
brauchen die Gewerkschaften mehr Mittel und mehr Personal. Wichtig ist, daß alle EBR-Mitglieder demokratisch legitimiert
sind. Uns ist klar, daß weitere Störungen durch den Arbeitgeber zu erwarten sind, deshalb brauchen wir vom Gesetzgeber
bessere Saktionen, auf europäischer wie auf nationaler Ebene.
Michael Kalis ist seit 1977 Mitglied im Betriebsrat der Niederlassung Frankfurt am Main, später übernahm er dort den
Vorsitz. Er ist stellvertretender Vorsitzender des deutschen Gesamtbetriebsrates und bestreitet als Vorsitzender des
Konzernbetriebsrates von Anfang an die Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit der EBR-Gründung bei Kühne + Nagel. Seit
Gründung der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) 2001 ist er auch stellvertretender Bundesvorsitzender des
Fachbereichs Postdienste, Speditionen und Logistik.
Das Interview führte Werner Altmeyer am 31. März 2008.