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Interview mit EU-Kommissar Vladimír Špidla

FotoFotoFrage: Welche Rolle spielt die EBR-Richtlinie im Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission und für Sie als Kommissar für Beschäftigung, soziale Angelegenheiten und Chancengleichheit?

Špidla: Die Unterbreitung eines Vorschlags zur Revision der EBR-Richtlinie ist eine der Prioritäten der Kommission für 2008. Ich persönlich und auch die Kommission als Ganzes messen den Europäischen Betriebsräten eine große Bedeutung bei, insbesondere bei der Antizipierung und Begleitung von Umstrukturierungen und der Entwicklung europäischer Partnerschaft auf Unternehmensebene. Gegenwärtig gibt es etwa 850 EBR-Gremien in Europa, die 14,5 Millionen Arbeitnehmer abdecken - eine beträchtliche Zahl!

Wo sie aktiv sind, tragen Euro-Betriebsräte dazu bei, die Unternehmensführung in großen transnationalen Unternehmen zu verbessern – ein Schlüsselfaktor für ihre nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit. Wir wissen jedoch, daß EBR-Gremien in einer großen Zahl von Umstrukturierungsfällen nicht richtig unterrichtet und angehört werden. Wir wissen auch, daß es einige juristische Unklarheiten in der Anwendung der Richtlinie gibt, insbesondere hinsichtlich der Beziehung zwischen den nationalen und transnationalen Ebenen der Arbeitnehmervertretung und der Folgen von Unternehmensfusionen und
-übernahmen. Ich bin überzeugt, daß wir effektive Wege finden müssen, um die rechtzeitige und wirksame Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer sicherzustellen sowie den sozialen Dialog auf Unternehmensebene zu verbessern, zum Wohle von Arbeitnehmern und Unternehmen gleichermaßen.

Frage: Die Kommission will eine weitere Beratung über die Revision der EBR-Richtlinie beginnen. Was sind die wichtigsten Beweggründe für die Anhörungen, und was ist der Fokus der Kommission innerhalb dieses Prozesses?

Špidla: Ein Vorschlag für eine überarbeitete EBR-Richtlinie würde die Ziele haben, die Wirksamkeit von transnationalen Informations- und Konsultationsrechten und eine größere Kohärenz zwischen gemeinschaftlichen Rechtsinstrumenten zu garantieren und die beobachteten Probleme und juristischen Unklarheiten zu lösen. Ich werde daher der Kommission den Vorschlag machen, die zweite Konsultationsphase der Sozialpartner über die Revision der EBR-Richtlinie frühzeitig 2008 zu starten, eine Vorbedingung für eine verbesserte Richtlinie. Im Verlauf dieses Prozesses werden Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände in der Lage sein, ihre Ansichten deutlich zu machen, und zwar bevor der Vorschlag der Kommission dem Europäischen Parlament und den Rat vorgelegt wird.

Die Probleme, um die wir uns kümmern wollen, habe ich gerade beschrieben, es sind hauptsächlich Mängel in wirksamer Anhörung und juristische Unklarheiten. Wir müssen auch berücksichtigen, daß sich das gesetzgeberische Umfeld für die Arbeitnehmerbeteiligung durch die Annahme einer Serie von Richtlinien in den letzten Jahren stark weiterentwickelt hat, darunter die Richtlinie 2002/14/EG, die einen allgemeinen Rahmen für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in der Europäischen Gemeinschaft festgelegt hat.

Frage: Welcher Zeitrahmen wäre für die Revision der EBR-Richtlinie realistisch?

Špidla: Wir planen die Vorlage des Entwurfs einer überarbeiteten Richtlinie, sobald die Beratung mit den Sozialpartnern über den vorgesehenen Inhalt abgeschlossen und die entsprechende Beurteilung der Folgewirkungen gemacht ist. Dies wird einige Monate brauchen, aber wir sollten im Jahr 2008 den Prozeß hinter uns bringen. Sobald der Gesetzentwurf von der Kommission angenommen ist, beginnt das Gesetzgebungsverfahren. Es ist sehr schwierig vorherzusagen, wie lange es dauern wird, bis das Europäische Parlament und der Rat sich auf dieses Gesetz geeinigt haben. Ich hoffe, daß wir ein definitives Ergebnis im Verlauf des Jahres 2009 sehen können.

Frage: Was wären weitere Maßnahmen, um die Umsetzung einer überarbeiteten Richtlinie sicherzustellen?

Špidla: Die Anwendung und Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts betrifft viele Akteure - die europäischen Institutionen, die Mitgliedsstaaten einschließlich örtlicher und regionaler Behörden wie auch Gerichte. Die Kommission verabschiedete kürzlich eine Mitteilung "Ein Europa der Ergebnisse – Anwendung des Gemeinschaftsrechts", welches Wege vorschlägt, die Anwendung des Gemeinschaftsrechts zu verbessern.

Aber wir sind noch nicht an dem Punkt, die überarbeitete Richtlinie umzusetzen und anzuwenden, wir sind in der Phase, sie zu entwerfen. Wir denken, daß die gegenwärtigen Probleme der EBR-Arbeit eher von einer unpassenden Anwendung seitens der Unternehmen und von Mängeln der aktuellen Richtlinie hervorgerufen werden als durch das Versäumnis von Mitgliedsstaaten, die Richtlinie umzusetzen. Deshalb sollte der Inhalt der Revision darauf zielen, sich den in der Richtlinie identifizierten Mängeln zu widmen und die Wirksamkeit transnationaler Unterrichtungs- und Anhörungsrechte zu sichern.

Aber Sie wissen, daß es nicht nur um Gesetze geht. Die Veränderung beginnt im Kopf. Wenn wir dies zu einen Erfolg für die Arbeitnehmer und die europäische Wirtschaft machen wollen, müssen sich Dinge auf Betriebsebene ändern. Deshalb wird ein praktischer Ansatz und der Austausch von "best practice" zwischen den Sozialpartnern entscheidend sein.

Frage: Welche Rolle spielen andere Generaldirektionen wie z. B. die Generaldirektion (GD) Unternehmen und Industrie im Revisionsprozeß?

Špidla: Die Kommission arbeitet als Kollegium. Die Initiative zur Revision der EBR-Richtlinie ist eine Priorität der ganzen Kommission. Dies wurde kürzlich von Präsident Barroso unterstrichen, als er in einer Plenarsitzung des Europäischen Parlaments sprach. Daher wird das Know-how aller relevanter Generaldirektionen gebraucht, und die GD Beschäftigung wird in enger Kooperation mit allen arbeiten, insbesonders mit der GD Unternehmen und Industrie.

Zum Beispiel: die Revision der EBR-Richtlinie ist auch ein Kernelement der sozialen Dimension des Binnenmarkts, das in der neuen Mitteilung der Kommission "Ein Binnenmarkt für das Europa des 21. Jahrhunderts" zu finden ist. Außerdem: eine Richtlinie zu ändern, um sie effizienter zu machen, gehört ganz allgemein zu den "Better Regulation"-Regeln, die die Handlungen der ganzen Kommission bestimmen. Bezüglich der Dienste der Kommission ist es so, daß allen Initiativen dienststellenübergreifende Beratungen vorausgehen und die Beurteilung der Folgewirkungen schließt auch verschiedene Generaldirektionen ein.


Vladimír Špidla war Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei (CSSD), Minister für Arbeit und Soziales sowie Ministerpräsident der Tschechischen Republik. Von 2004 bis 2010 war er Mitglied der Europäischen Kommission.

Das Interview führte Kathleen Kollewe am 17. Dezember 2007.




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