Interview mit Gernot Hahl, EBR-Vorsitzender bei Linde
Frage: Warum war bei Linde eine Neugründung des EBR notwendig?
Hahl: Der ausschlaggebende Punkt war die Übernahme von BOC seitens der Linde AG im Jahr 2006. Das Europäische Forum von
BOC mußte in unseren EBR integriert werden. Initiiert vom Linde-EBR begannen Ende Januar 2007 die Verhandlungen, wir haben
einen Entwurf vorgelegt und dabei auch die englischen Kollegen vom Europäischen Forum der BOC mit einbezogen.
Frage: Wie haben Sie die Kontakte zu den englischen Kollegen aufgebaut?
Hahl: Über die IG BCE, nachdem unsere Vorstöße über das britische Personalmanagement nicht recht vorangingen und man uns
mehrfach vertröstet hatte, wir auch keine Informationen bekamen und die Kommunikation nicht funktionierte. Die
Gewerkschaften IG BCE und T & G, die Kollegen vom Europäischen Forum von BOC und wir haben uns getroffen und unsere
Vorstellungen ausgetauscht. Dabei haben wir schnell gemerkt, daß die bisherige Arbeitsweise beim Europäischen Forum anders
war als beim Linde-EBR.
Frage: Welchen Themen wurde dabei besondere Priorität eingeräumt?
Hahl: Die neue Vereinbarung hat der alte EBR von Linde verhandelt, natürlich mit der Billigung der englischen Kollegen,
weil das Europäische Forum von BOC mit dem Kauf automatisch aufgelöst wurde. Den Mitgliedern des Europäischen Forums bei
BOC war wichtig, daß sie möglichst stark im EBR vertreten sind. Unsere Prioritäten lagen vor allem bei der
Sitzungshäufigkeit, dem Informationsaustausch und einer guten Beziehung zwischen den Arbeitnehmervertretern auf der einen
Seite und zwischen EBR und Vorstand andererseits. Da das Unternehmen seinen Hauptsitz nach der Fusion in Deutschland hat,
ist es wichtig, daß auch der Vorsitz des EBR in Deutschland bleibt, um die Vorteile der deutschen Mitbestimmung besser
nutzen zu können.
Frage: Was ist das Besondere an der neuen Vereinbarung?
Hahl: Verglichen mit anderen großen Unternehmen ist es die stolze Anzahl von 27 EBR-Mitgliedern. Außerdem erlaubt uns die
Vereinbarung drei Sitzungen im Jahr, die in neun der 14 EBR-Sprachen simultan gedolmetscht werden. Unsere Dokumente werden
ebenfalls in alle Sprachen der EBR-Mitglieder übersetzt. Weiterhin kann sich das EBR-Präsidium jederzeit treffen, wenn wir
der Meinung sind, daß es notwendig ist, und uns mit der Unternehmensleitung austauschen. Und: in unserem EBR sitzen nur
gewählte Arbeitnehmervertreter. Nicht zu vergessen die Weiterbildungsregelungen und jedes Mitglied hat einen PC-Zugang,
Telefon und Fax, die britischen Kollegen hatten das nicht.
Frage: Wie erreicht man ein solches Ergebnis bei den EBR-Verhandlungen?
Hahl: Wir haben von Anfang an so verhandelt und sind von den Standards ausgegangen, die wir vorher schon hatten –
Orientierungswert bei unseren Forderungen war immer das Betriebsverfassungsgesetz. Die deutsche Arbeitgeberseite hatte
dafür auch bedingt Verständnis, die britische Seite hat sich zurückgehalten. Ein anderes Ergebnis hätten wir aber auch
nicht akzeptiert.
Frage: Was sind anstehende Vorhaben?
Hahl: Im November 2007 findet die konstituierende EBR-Sitzung statt. Mit Rumänien zum Beispiel haben wir noch keinen
Kontakt, obwohl wir uns über die Gewerkschaften in Brüssel schon gekümmert haben. Momentan versucht die IG BCE, Partner in
Rumänien zu finden, was allerdings schwierig ist. Zu Beginn werden wir ein Seminar zum Kennenlernen der Arbeitsbeziehungen
in den beteiligten Länder organisieren.
Gernot Hahl (47) ist Vorsitzender des alten EBR bei Linde. Der gelernte Maschinenschlosser arbeitet seit 20 Jahren bei
Linde in Worms, zunächst im Gasewerk. 1988 gründete er den örtlichen Betriebsrat und steht ihm seither vor. 1994 wurde er
in den Gesamtbetriebsrat gewählt und fünf Jahre später, nach der Ausgliederung des Bereiches Gase, dessen Vorsitzender. Ab
2005 war er stellvertretender EBR-Vorsitzender und seit Januar 2007 ist er KBR-Vorsitzender der Linde Group. Gernot Hahl
ist Mitglied der IG BCE und sitzt im Aufsichtsrat.
Das Interview führte Kathleen Kollewe am 7. August 2007.
Weitere Informationen:
| Die neue EBR-Vereinbarung von Linde
im Wortlaut |