Interview mit Ivonne Jackelen, EBR-Koordinatorin von UNI-Europa
UNI = Union Network International (Internationaler Bund der Dienstleistungsgewerkschaften)
Frage: Seit Oktober 2006 bist Du für die Koordinierung der EBR-Arbeit bei UNI-Europa zuständig. Was beinhaltet Dein
Tätigkeitsbereich?
Jackelen: Der Dachverband UNI-Europa ist erst vor sieben Jahren gegründet worden und vereint insgesamt zwölf
Wirtschaftssektoren. Trotz der komplexen Struktur läuft die Zusammenarbeit aber recht gut. Was die Europäischen
Betriebsräte betrifft, so haben Finanzdienstleistungen und Druckindustrie eine besonders lange Tradition und stellen auch
zahlenmäßig die meisten Gremien. Neben der EBR-Arbeit bin ich auch für die Europäische Aktiengesellschaft zuständig und im
Druck- und Verlagsbereich für gewerkschaftliche Betriebspolitik (Stichwort: transnationale Restrukturierungen).
Frage: Setzt Du besondere Schwerpunkte in Deiner Arbeit?
Jackelen: Die Hälfte meiner Arbeitszeit ist für die Druck- und Verlagsindustrie reserviert, dort kann ich die EBR-Arbeit
aktiv mitgestalten. In allen anderen Branchen versuche ich, eine übergreifende Perspektive und einen Wissenstransfer
sicherzustellen. So sollen beispielsweise die Richtlinien, die der Bereich Finanzdienstleistungen für seine EBR-Arbeit
entwickelt hat, für andere Branchen angepaßt und nutzbar gemacht werden. Auch soll ein Verfahren zu transnationalen
Verhandlungen auf Unternehmensebene entwickelt werden.
Frage: Wo siehst Du besondere Herausforderungen?
Jackelen: Im IT-Bereich. Hier spielt die Kampagne bei IBM eine zentrale Rolle für die Europäischen Betriebsräte des
gesamten Sektors. Bei IBM hat es noch nie eine Schulungsmaßnahme für den EBR gegeben, weil das Management dies blockiert.
Im Druck- und Verlagsbereich stoßen wir immer wieder auf sehr gewerkschaftsfeindliche Arbeitgeber, dennoch betreiben wir
konsequent die Gründung und Stärkung von Europäischen Betriebsräten. Einen besonderen Nachholbedarf gibt es im Reinigungs-
und Sicherheitsgewerbe, dort fangen wir gerade erst an, eine umfassende EBR-Bestandsaufnahme zu machen.
Frage: Gibt es auch positive Beispiele?
Jackelen: Ja, im Tiefdruck zum Beispiel haben wir ein reges Netzwerk. Um eine Vorausschau zu ermöglichen, erstellen wir
gerade eine Datenbank für die gesamte Branche, da dort viele Restrukturierungen zu erwarten sind. Wichtig war auch die
Umwandlung der Allianz-Versicherung in eine Europäische Aktiengesellschaft, die wissenschaftlich begleitet wurde.
Frage: Was kann ein EBR-Mitglied in einer Dienstleistungsfirma erwarten, wenn es sich an Dich wendet?
Jackelen: Ich kann bei der Vermittlung von Kontakten in anderen Ländern helfen, auch nach Mittel- und Osteuropa. Bei der
Neugründung bzw. der (Ost-)Erweiterung eines EBR kann ich bei der Analyse des Konzerns unterstützen. Ich kann
Literaturtips geben und Informationen aus dem EBR-Netzwerk des Europäischen Gewerkschaftsinstituts (Gerichtsurteile,
Veranstaltungen usw.) weiterleiten und – wichtig ! – eine Verknüpfung zur weltumspannenden Arbeit der Gewerkschaften im
Dienstleistungssektor herstellen. Außerdem gibt es eine neue Plattform zur Veröffentlichung wichtiger EBR-Infos auf
unserer Webseite. Wir unterstützen auch die Beantragung von EU-Geldern, wie im Fall von IBM.
Ivonne Jackelen hat Verwaltungswissenschaften mit Schwerpunkt Internationale Beziehungen / Arbeit und Soziales in
Konstanz studiert, mit Aufenthalten in Großbritannien und Ghana. Danach leitete sie das DGB-Bildungszentrum Niederpöcking
in Oberbayern. Ab 2002 war sie für Gewerkschaftseinrichtungen in Brüssel tätig, zwischen 2006 und 2009 als Koordinatorin
der Europäischen Betriebsräte bei UNI-Europa.
Das Interview führte Werner Altmeyer am 9. März 2007 in Brüssel.
Weitere Informationen auf der UNI-Webseite:
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