Interview mit Berthold Huber, zweiter Vorsitzender der IG Metall
Frage: Was ist aus Ihrer Sicht die Rolle des EBR bei Restrukturierungen?
Huber: Die unternehmensinterne Standortkonkurrenz vollzieht sich immer stärker gerade auf internationaler Ebene. Die
Europäischen Betriebsräte sind geeignete Foren, in denen diesen Herausforderungen gemeinsam begegnet werden kann. So wenig
wie sich die Arbeitnehmer-vertretungen auf nationaler Ebene ausspielen lassen wollen, sollten sie sich auf europäischer
Ebene darauf einlassen. Wir wollen die Europäischen Betriebsräte stärken und ihre Rolle als Verhandlungspartner ausbauen.
Der Geltungsbereich der Richtlinie muß erweitert werden, wir müssen jetzt dranbleiben und weiter Druck machen.
Frage: Sind Abstimmungsprozesse zwischen EBR und nationalen Gewerkschaften bei Restrukturierungsmaßnahmen in
Unternehmen aus Ihrer Sicht wichtig?
Huber: EBR-Arbeit kann und darf nicht getrennt von anderen Ebenen der Arbeitnehmervertretung und gewerkschaftlicher Arbeit
erfolgen. Sie muß die gleichzeitige enge Zusammenarbeit mit den jeweiligen Gewerkschaften und mit den EMB-Koordinatoren
einschließen und in unsere alltägliche Praxis - bei Gewerkschaften, Betriebsräten und Vertrauensleuten - als
selbstverständlich integriert werden. Gleichzeitig muß es uns darum gehen, Verbesserungen und Fortschritte für die
gesamteuropäische Belegschaft zu erreichen, indem wir z. B. auf europäischer Ebene Standards mit den Konzernen
aushandeln.
Frage: Welche zukünftigen Aufgaben und Bereiche gibt es für Gewerkschaften auf europäischer Ebene?
Huber: Ein weiteres Element zur Beteiligung von Arbeitnehmern ist die SE-Richtlinie. Hier sind Fortschritte gemacht, aber
es sollte nicht die Privatsache der Unternehmen sein, ob sie diese anwenden oder nicht. Beim Thema "Einflußnahme von
Arbeitnehmern auf der strategischen Ebene des Unternehmens" sind unsere Möglichkeiten noch dürftig. Wir müssen hier die
bestehenden Ansatzpunkte in der EBR-Arbeit nutzen.
Über die Frage von transnationalen Kollektivvereinbarungen sollten wir sorgfältig nachdenken und uns an der von der
EU-Kommission angestoßenen Debatte beteiligen. Zwar findet die konkrete Tarifpolitik auch auf absehbare Zeit auf
nationaler und regionaler Ebene statt, aber mittlerweile ist der Europäische Wirtschaftsraum der Bezugsrahmen. Eine
europäisch koordinierte Tarifpolitik ist ein weiteres wichtiges Instrument, um die soziale Gestaltung der EU
voranzubringen.
Frage: Welche Punkte sind Ihnen beim bisherigen EBR-"Primus" Volkswagen momentan besonders wichtig?
Huber: Ganz aktuell die Situation der Kolleginnen und Kollegen in Brüssel. Wenn dort nach einem weitgehenden Abzug des
Golf Beschäftigungsprobleme auftreten, dann muß es Übergangslösungen geben. Es ist niemals die Politik der IG Metall
gewesen, zu Lasten von Arbeitsplätzen in anderen Ländern Tarifpolitik zu machen. Wir wollen, daß alle Standorte
Beschäftigung und Zukunftsperspektiven haben.
Berthold Huber (56) arbeitet seit 1990 hauptamtlich für die IG Metall und ist seit 2003 zweiter Vorsitzender. Im
Vorstand ist er zuständig für Betriebsräte und Mitbestimmung. Beim Europäischen Metallgewerkschaftsbund (EMB) in Brüssel
leitet er die Arbeitsgruppe Betriebspolitik, die sich mit Fragen der Arbeitnehmerbeteiligung in multinationalen Unternehmen
beschäftigt, u. a. mit den Europäischen Betriebsräten.
→ Mehr Informationen zur
EMB-Arbeitsgruppe Betriebspolitik
Das Interview führte Kathleen Kollewe am 18. Dezember 2006.