Interview mit Rolf Zimmermann, EBR-Vorsitzender bei der Allianz
Die offizielle Bezeichnung des EBR lautet: Allianz Europe Committee
Frage: Wie sind die Verhandlungen zum SE-Betriebsrat gelaufen?
Zimmermann: Das Besondere Verhandlungsgremium (BVG) war heterogen zusammengesetzt mit Vertretern aus allen Ländern, in
denen die Allianz aktiv ist. Viele Mitglieder des BVG hatten kaum oder keine Erfahrungen. Trotzdem, das Klima war
ausgesprochen konstruktiv.
Frage: Und die Zusammenarbeit mit dem Management?
Zimmermann: Die war lange Zeit kompliziert - ich hatte sogar Zweifel, ob die Verhandlungen nicht verlängert werden müßten.
Am Ende konnte keiner so richtig zustimmen, jede Seite hatte Punkte, die nicht so recht paßten. Andererseits war das
Ergebnis zu gut, um abzulehnen. Der Kompromiß tut beiden Seiten weh, aber ist immer noch besser als eine Auffanglösung
nach den Bestimmungen der EU-Richtlinie.
Frage: Welche Punkte waren denn besonders umstritten?
Zimmermann: Der 12er Aufsichtsrat war von Beginn an Allianz-Politik. Daher konnten die italienischen Niederlassungen
keinen Vertreter wählen, obwohl sie zu den Gründungsmitgliedern der SE gehören. Ein weiterer Punkt war die Schaffung einer
internen Schlichtungsstelle, da konnten wir keine vernünftige Lösung finden. Aber das Management weiß, daß wir im
Streitfall nicht den Rechtsweg über das Münchner Arbeitsgericht scheuen werden.
Frage: Welche Erfolge konnten Sie verbuchen?
Zimmermann: Eine Art Tabubruch. Wir haben als SE-Betriebsrat ein Initiativrecht, um mit dem Management Leitlinien zu
definieren: bei Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, bei Aus- und Weiterbildung und bei Chancengleichheit. Das sind
zwar keine Kernbereiche, aber aus Sicht der Arbeitnehmer dennoch wichtig. Nach harten und zähen Verhandlungen bekennt sich
das Management der Allianz auch zum Sozialen Dialog mit dem Ziel, die Beschäftigten am ökonomischen Erfolg zu beteiligen,
den sie erwirtschaften.
Frage: Werden in diesen Bereichen die nächsten länderübergreifenden Vereinbarungen zu erwarten sein?
Zimmermann: Wir haben dazu schon mit UNI Europe und Europäischen Betriebsräten aus anderen Sektoren (z.B. Ford)
gesprochen, um eventuell eine eigene Strategie zu entwickeln. Ende Januar 2007 ist die konstituierende Sitzung des
SE-Betriebsrates geplant, dort werden die nächsten Aufgaben nach Prioritäten geordnet. Zum Beispiel das Prinzip
"Lifelong Learning". Schon der EBR kümmerte sich um Weiterbildung zum permanenten strukturellen Wandel und
natürlich zur Arbeitsplatzsicherheit usw. Das wird ländertypisch beantwortet und die Einzelheiten muß dann der
Sozialdialog bringen.
Frage: Haben Sie auch Evalierungen eingeplant?
Zimmermann: Der Sozialdialog ist auf Kontiuität angelegt, deshalb wird man sich von Zeit zu Zeit zusammensetzen und
schauen, was steht im Vertrag und wo sind wir. Manchmal hat der Betriebsrat ja die Rolle, dem Management zu sagen, daß es
etwas falsch macht. Das ist einerseits unangenehm, anderseits bekommt der Vorstand durch uns Betriebsräte auch
Informationen, die er sonst nicht bekäme, z. B. wie die Welt aus den Augen eines Mitarbeiters aussieht. Wir sind etwa wie
die Institution eines Hofnarren, also die einzigen, die dem Herrscher ungestraft die Meinung sagen dürfen.
Frage: Wie kommunizieren Sie miteinander in einem so internationalen Betriebsrat?
Zimmermann: Wir haben bisher im EBR zehn Sprachen, wollen aber im SE-Betriebsrat Englisch, Französisch, Italienisch und
Deutsch als Arbeitssprachen verwenden. Der Arbeitgeber bietet schon seit Jahren die Möglichkeit zu Sprachkursen, die
Präferenzen lagen immer bei Deutsch und Englisch.
Frage: Gibt es bei einer solchen Heterogenität nicht auch Spannungen?
Zimmermann: Große Spannungen im "Allianz Europe Committee" gab es immer dann, wenn große Integrationen oder ein
Aufkauf stattfanden, wie z. B. bei der Übernahme des französischen Versicherungskonzerns AGF mit eigenen EBR und einer
anderen Unternehmenskultur. Wir versuchen das mit einer möglichst produktiven Synthese zu lösen, es ist aber ein
komplizierter Vorgang.
Frage: Haben die aktuellen Entwicklungen bei Allianz Deutschland einen Schatten geworfen?
Zimmermann: Momentan befinden wir uns im Krieg mit Allianz Deutschland wegen der Neustrukturierung der deutschen
Versicherungsgesellschaften. Hier ist es gelungen, innerhalb kürzester Zeit das zarte Pflänzchen Unternehmenskultur, das
Zusammengehörigkeitsgefühl im Unternehmen, zu zerstören. Wie paßt dazu der Standardsatz von Herrn Diekmann: "Würden
Sie ihrem besten Freund empfehlen, sich bei unserem Unternehmen zu versichern?" Die Mitarbeiter fühlen sich schlecht
behandelt, und wenn die alten Hasen gehen, verliert das Unternehmen immaterielle Werte und die Orientierung für die Jungen
und damit an Stabilität.
Frage: Was würden Sie anderen EBR-Kollegen mitgeben, die vor einer SE-Betriebsratsgründung stehen?
Zimmermann: Die guten Dinge mit in die Zukunft nehmen und die schlechten korrigieren. Und auf alle Fälle sollte man die
rechtliche Grundlage als Chance nutzen, eventuell auch mit Hilfe von Beratern. Schließlich steht das Management in der
Zeit der SE-Gründung sehr unter Druck. Diese gestalterische Chance sollte nicht vergeben werden.
Rolf Zimmermann (53) ist Versicherungskaufmann und kam über die Jugendvertretung in den Betriebsrat, dem er seit 1990
als freigestelltes Mitglied angehört. Seit über zehn Jahren ist er auch Mitglied des EBR.
Das Interview führte Kathleen Kollewe am 9. Oktober 2006.
Weitere Informationen:
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Die Allianz-Mitbestimmungsvereinbarung im Wortlaut |
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Die neuen Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der Allianz SE |