Interview mit Klaus Franz, EBR-Vorsitzender bei General Motors
Frage: Unter der akuten Restrukturierung gerät ein Europäischer Betriebsrat schnell unter Druck. Wie hat der
EBR bei General Motors zusammengearbeitet?
Klaus Franz: Wir haben feste Prinzipien. Auf den Punkt gebracht sind es: Offenheit, Ehrlichkeit und Transparenz,
überzeugende und authentische Kommunikation. Diese Prinzipien müssen unbedingt eingehalten werden, um gemeinsame
kulturelle Schnittmengen einfacher finden zu können. Das schafft Vertrauen zwischen den EBR-Mitgliedern, bedeutet
aber harte Arbeit und braucht fünf bis acht Jahre kontinuierlicher Kooperation. Außerdem wurde der gesamte Prozeß der
Restrukturierung von einer Monitoringgruppe des Europäischen Metallgewerkschaftsbundes (EMB) begleitet. Das ist ein
absolutes Novum und hat die Koordinierung wesentlich verbessert.
Frage: Welche Rolle spielt dabei das deutsche Mitbestimmungsmodell?
Klaus Franz: Das deutsche Mitbestimmungsmodell bietet Vorteile vor allem bei der Unterrichtung des EBR. Wir haben Ende der
90er Jahre aber den Fehler gemacht, Arbeitnehmervertreter aus anderen Ländern damit förmlich zu erschlagen.
Informationen werden jetzt besser verteilt und genutzt. Trotzdem bleibt für uns die Qualität der Information im
Aufsichtsrat das Richtmaß.
Frage: Ist der EBR von General Motors ein Präzedenzfall für das Mitbestimmungsrecht des EBR?
Klaus Franz: Bei Opel gibt es seit dem Jahr 2000 ein „Negotiation Body“, eine Verhandlungsgruppe. Mit dem damaligen
Restrukturierungsvertrag bei GM haben wir das erste Mal eine richtige europäische Vernetzung hergestellt. Es geht
doch um die Qualität der Mitbestimmung. Wenn man die Europäische Aktiengesellschaft (SE) betrachtet, könnte
Opel so ein Beispiel sein. Natürlich wäre das Boardsystem, wie es die SE neben der Möglichkeit des dualen
Systems vorsieht, erst einmal schlechter als die deutsche Variante. Entscheidend ist für uns, wie stark die Rechte bei
zustimmungspflichtigen Geschäften sind. Aber wenn Entscheidungen zustimmungspflichtig sind, dann kann man damit
durchaus zufrieden sein.
Frage: Was würden Sie anderen EBR mit auf den Weg in Restrukturierungsverhandlungen geben wollen?
Klaus Franz: Wir brauchen in der Arbeitnehmervertretung eine höhere Professionalisierung. Hier sind fachliche,
soziale und ökonomische Kompetenzen gefragt. Hinzu kommt die europäische Dimension. Wir brauchen generell
gemeinsame Mindeststandards für Arbeitsschutz, Arbeitszeit und Arbeitsbedingungen als Rahmen in Europa. Die Kollegen
in den osteuropäischen Ländern müssen bei der EBR-Arbeit entsprechend unterstützt werden, damit die
Arbeitskosten nicht mehr der zentrale Punkt bei Verhandlungen sind. Auch hier gilt: offene und ehrliche Kommunikation
bleibt das A und O.
Klaus Franz ist Mitglied der IG Metall, Vorsitzender des Europäischen Betriebsrates von General Motors,
Betriebsratsvorsitzender im Werk Rüsselsheim und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender von Opel.
Das Interview führte Kathleen Kollewe am 9. März 2005.
| Dieses Interview wurde am 30. März 2005 in einer etwas ausführlicheren Fassung auch in der
Frankfurter Rundschau abgedruckt. →
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Weitere Informationen über die Situation bei General Motors haben wir hier zusammengestellt.