Gericht klärt Unterrichtungsanspruch bei Produktionsverlagerungen
Ein Beschluà des Landesarbeitsgerichts (LAG) Niedersachsen vom 1. September 2004 gilt als richtungsweisend für
viele Europäische Betriebsräte, denen der Arbeitgeber Informationen bei drohenden Produktionsverlagerungen
verweigert.
Im Konfektionierungswerk Garbsen (bei Hannover) der Siegling GmbH, ein Tochterunternehmen des in der Schweiz beheimateten
Forbo-Konzerns, waren seit Ende 2003 Gerüchte im Umlauf, die Konzernleitung wolle ein vergleichbares Werk in der
Slowakei errichten und möglicherweise Teile der Produktion von Kunststoffbändern dorthin verlagern.
Versuche der Arbeitnehmervertretung, über den deutschen Wirtschaftsausschuà und über den Europäischen
Betriebsrat hierüber Informationen zu erhalten, lehnte der Arbeitgeber ab. Dem Wirtschaftsausschuà wurde mitgeteilt,
dies sei eine Angelegenheit der Konzernmutter und die örtliche Geschäftsleitung (obwohl in Personalunion Mitglied
der internationalen Konzernleitung) wisse nichts. AuÃerdem müsse ein Geschäftsführer kein Wissen mitteilen,
was er in anderer Funktion im Konzern erlangt habe. Dem EBR wurde gesagt, es handele sich um eine nationale Angelegenheit
nur eines Landes und daher sei auch er nicht zuständig.
Für Johannes Waldmann, den Vorsitzenden des deutschen Gesamtbetriebsrats der Siegling GmbH und gleichzeitig des
Europäischen
Betriebsrates des Forbo-Konzerns sowie IG BCE-Mitglied, war die Einberufung der Einigungsstelle zur Erlangung von
Informationen und zur Klärung der Zuständigkeiten des Wirtschaftsausschusses und des EBR die logische
Konsequenz. Der Fall landete schlieÃlich beim Landesarbeitsgericht Niedersachsen, das dem Arbeitgeber eine Frist bis zum
30. September 2004 setzte, um die Bildung der Einigungsstelle durch Beantwortung des von Wirtschaftsausschuà und EBR
vorgelegten Fragenkatalogs zu vermeiden. Am Tag des Fristablaufs legte die Konzernleitung alle angeforderten Unterlagen
zum Werksneubau in der Slowakei über den EBR dem deutschen Wirtschaftsausschuà vor. Somit hatte sich die
Einigungsstelle erübrigt.
Um den etwas umständlich formulierten Text des Landesarbeitsgerichts zu verstehen, muà man diese Hintergründe
kennen. Die wichtigste Aussage darin ist, daà sowohl die nationale Arbeitnehmervertretung (hier also der deutsche
WirtschaftsausschuÃ) wie auch der EBR jeweils einen eigenständigen Anspruch auf Unterrichtung haben.