Interview mit Sean Bamford, EBR-Koordinator des TUC
Der TUC (Trades Union Congress) ist der Dachverband der britischen Gewerkschaften.
Frage: Welche Rolle spielt der TUC in der EBR-Arbeit?
Bamford: Die Einzelgewerkschaften kümmern sich um die Betreuung der Europäischen Betriebsräte. Der TUC übernimmt eine
Koordinierungsrolle zwischen den Gewerkschaften, die im Vereinigten Königreich praktisch alle dem TUC angehören. Ein
Problem ist, daß die britischen Gewerkschaften oft miteinander in Konkurrenz stehen und die Frage auftaucht, wer die
britischen Beschäftigten in einem bestimmten EBR vertreten soll und aus welcher Gewerkschaft diese entsandt werden.
Frage: Welche Einzelgewerkschaften kümmern sich um die meisten EBR?
Bamford: Die größte Gewerkschaft im privaten Sektor ist Amicus. Sie ist deshalb für eine große Anzahl von Europäischen
Betriebsräten zuständig, viele in der Metallindustrie, aber auch bei Banken und Versicherungen und in anderen Branchen.
Die großen berufsübergreifenden Gewerkschaften T&G und GMB sind auch stark beteiligt. Durch Privatisierung sind auch
Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes betroffen.
Frage: Wie sieht die Unterstützung der Gewerkschaften konkret aus?
Bamford: Die Betreuung Europäischer Betriebsräte im Vereinigten Königreich ist weniger entwickelt als in vielen Ländern.
Potentiell könnten noch viele neue EBR-Gremien gegründet werden, allerdings hätten weder der TUC und viele unserer
Einzelgewerkschaften die Ressourcen, um sie zu unterstützen. Uns fehlt auch eine gute Datenbank, um die britischen
EBR-Mitglieder zu identifizieren. Weiterhin erfüllen viele britische Arbeitgeber nur die minimalen Standards und
gewähren dem EBR keine angemessenen Arbeitsmittel.
Frage: Gibt es spezielle Seminarangebote für Europäische Betriebsräte?
Bamford: Der TUC hat in den letzten Jahren Seminare für britische EBR-Mitglieder angeboten. Ich selbst habe viele davon
durchgeführt. Wir haben allerdings wenig Erfahrung mit Inhouse-Seminaren für einzelne Europäische Betriebsräte.
Frage: Ein britischer EBR wird vom Arbeitgeber mit einer Umstrukturierung konfrontiert. Wo erhält er Hilfe?
Bamford: Zuerst geht er zu seinem Gewerkschaftssekretär vor Ort. Der örtliche Sekretär kann Hilfe des nationalen oder
regionalen Büros in Anspruch nehmen. Wir haben keine externen Beratungsangebote im Vereinigten Königreich wie in anderen
Ländern, mit Ausnahme vielleicht des Labour Research
Department.
Frage: Hat die neue EU-Richtlinie über Information und Konsultation Auswirkungen auf die EBR-Arbeit?
Bamford: Wir erwarten tiefgreifende Konsequenzen. Britische EBR-Mitglieder arbeiteten bis jetzt in einem Vakuum. Im Inland
wurden Gewerkschaften im Allgemeinen nicht systematisch informiert und konsultiert. Wir hoffen, mit den neuen
Rechtsvorschriften den kontinentaleuropäischen Standards näher zu kommen, und daß das britische Management seine
Einstellung bei der Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmervertreter ändert. Hoffentlich können wir - bezogen auf
diese neuen Rechte - eine Situation vermeiden, wie sie sich seinerzeit mit Großbritanniens Beteiligung an Europäischen
Betriebsräten ergab: viele Arbeitgeber betrieben eine Politik widerwilliger Einhaltung von Minimalstandards. Diese neuen
Rechte sind sowohl für britische Arbeitnehmer als auch für die britische Wirtschaft sinnvoll.
Sean Bamford ist seit dem 1. Oktober 2005 beim britischen Gewerkschaftsdachverbandes TUC in London für die
Koordinierung aller EBR-Aktivitäten zuständig. Er begann seine Karriere als Gewerkschaftssekretär der
Eisenbahnergewerkschaft, war 15 Jahre am nationalen Bildungszentrum des TUC tätig und arbeitet seit 2004 in der
Vorstandsverwaltung des TUC.
Das Interview führte Werner Altmeyer am 16. September 2005 in London.