Zähe Verhandlungen bei General Motors:
Schmerzliche Einschnitte und noch kein Ende in Sicht
In der Nacht vom 7. zum 8. Dezember 2004 einigte sich der Europäische Betriebsrat von General Motors (GM) mit der
Europaleitung des amerikanischen Konzerns auf ein Rahmenabkommen, in dem das Unternehmen auf betriebsbedingte
Kündigungen und Werksschließungen verzichtet. Weiterhin wurden eine Zukunftsperspektive für die Marken Opel,
Vauxhall und Saab sowie die Einhaltung der bestehenden Tarifverträge zugesichert. Zuvor hatte es monatelange
Verhandlungen und Proteste gegeben. Am 19. Oktober 2004 protestierten an 13 GM-Standorten in Europa und in drei
brasilianischen Werken über 50.000 Beschäftigte gegen die geplanten Kürzungen.
Für den EBR war es nicht leicht, die Verhandlungen europaweit zu koordinieren, denn das Management versuchte immer
wieder, in Vorverhandlungen für einzelne Standorte separate Lösungen zu finden. Obwohl es schon in den letzten
Jahren massive Einsparungen mit dem "Olympia-Programm" gegeben hatte, häufte der Konzern Verluste an, die
laut Experten aus einer falschen und überholten Marken- und Verkaufsstrategie resultieren.
Obwohl es keine betriebsbedingten Kündigungen geben wird und Standortschließungen vorerst vom Tisch sind, soll erst
zu einem späteren Zeitpunkt über Bestandsgarantien für Arbeitsplätze und Standorte verhandelt werden.
Von den 12.000 Arbeitsplätzen, die bei General Motors Europe auf der Streichliste stehen, entfallen rund 9.500 auf
Deutschland. Einige Beobachter fürchten, daß es trotz der geplanten Abfindungsregelungen und Auffanggesellschaften zu
betriebsbedingten Kündigungen kommen wird. Auch sind die Auffanggesellschaften nicht unumstritten, weil nun über
Staatszuschüsse die Managementfehler bezahlt werden sollen und trotzdem für mindestens ein Drittel der
Betroffenen keine Perspektiven für eine spätere Beschäftigung entsteht. GM Europe hat bereits weitere
Einsparungen von jährlich 500 Mio. angekündigt.
Die Situation im deutsch-schwedischen Vergleich
In den vergangenen Wochen ging neben Bochum und Rüsselsheim immer wieder der schwedische Ort Trollhättan durch
die Medien. In allen drei Standorten werden die Beschäftigen vom Europäischen Betriebsrat vertreten. In beiden
Ländern standen ganze Werke auf der Streichliste. Wie kommt es, daß die Beschäftigen bei Opel in Deutschland und
bei Saab in Schweden sehr unterschiedlich auf die Einsparpläne reagiert haben?
In beiden Ländern wären zwar ganze Regionen von einer Werksschließung betroffen, die schwedischen Gewerkschaften
stehen aber Beschäftigungspakten eher kritisch gegenüber. Bei einer Arbeitslosenquote von rund 5%, hoher
Flexibilität des Arbeitsmarktes, einem Arbeitslosengeld von rund 80% des letzten Nettolohnes und einer aktiven
Arbeitsmarktpolitik gibt es für schwedische GM-Beschäftigte nach der Kündigung meist mehr Alternativen als
für vergleichbare deutsche Arbeitnehmer.
Martin Bartmann, Doktorand an der TU Kaiserslautern, hat im Rahmen seines von der Hans-Böckler-Stiftung
geförderten Promotionsvorhabens in den letzten Monaten zahlreiche Interviews mit Arbeitnehmervertretern und dem
Management von General Motors in Schweden durchgeführt.
Sein Resümee: Drei Abbauwellen bei Saab seit der
Übernahme durch GM haben gezeigt, daß die Verhandlungen nicht nur wesentlich früher als in Deutschland beginnen,
sondern daß auch die Arbeitsmarktbehörden frühzeitig einbezogen werden. Die Region Trollhättan ist
allerdings ein Sonderfall, da Saab hier mit Abstand der wichtigste Arbeitgeber ist und ein massiver Stellenabbau die
Aufnahmefähigkeit des regionalen Arbeitsmarktes überfordern würde. Bei Saab stehen die
Arbeitnehmervertretungen daher unter größerem Druck als in anderen schwedischen Automobilfabriken.
Konfliktpotential für den Europäischen Betriebsrat
Nach Meinung von Bartmann bieten die unterschiedlichen gewerkschaftlichen Strategien im Umgang mit Personalabbau einiges
an Konfliktpotential für den EBR. Sein Fazit aus den Interviews:
"Die Schweden halten ihr System, im
Ernstfall dem Unternehmen einen Stellenabbau zuzugestehen und die Chancen der Arbeitnehmer vor allem durch einen
funktionierenden Arbeitsmarkt zu gewährleisten, für effizienter. Sie sehen sich in internationalen
Konzernverbünden allerdings durch die Beschäftigungssicherungspakte anderer Länder unter Druck, da es dann
für die Unternehmen leichter und billiger ist, in Schweden Arbeitsplätze abzubauen."
Für eine funktionierende EBR-Arbeit ist es natürlich elementar wichtig, die unterschiedlichen nationalen
Strategien und Traditionen zu beachten und dies auch den Beschäftigten in den verschiedenen Ländern zu
vermitteln. Nimmt man diese Mühe nicht auf sich, kann es dem Unternehmen viel leichter gelingen, Belegschaften
gegeneinander auszuspielen.
Das schwedische Modell des Arbeitsplatzabbaus
Die Unternehmen sind gesetzlich verpflichtet, Pläne zum Personalabbau den Arbeitsmarktbehörden anzuzeigen, sie
müssen einen Teil der Qualifizierungsmaßnahmen finanzieren und die Beschäftigten für diese Maßnahmen
freistellen. Gewerkschaften, Unternehmen und Arbeitsmarktbehörde entwickeln Qualifizierungs- und
Weiterbildungsprogramme gemeinsam. Das Arbeitslosengeld beträgt meist 80% des letzten Nettolohnes bis zu einer
Einkommensgrenze von ca. 2000 . Danach ist es gedeckelt. Die Angestellten- und Akademikergewerkschaften im
Automobilsektor (SIF und CF) bieten ihren Mitgliedern mittlerweile zusätzliche Absicherungen an, so daß auch die
Bezieher höherer Einkommen eine statussichernde Absicherung erhalten können.
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